ENTEHRT

EIN VERSUCHTER FEMIZID IN KALABRIEN
· ein Monolog von Saverio La Ruina ·

eine Erzähl-Installation aus dem Kalabrischen
 von Roberta Cortese
mit Bernhardt Jammernegg
Outside-Eye Luigi Chiarella
Technische Leitung Tonio Nodari

Köstume/Objekte: Fundus Odeon

eine Koproduktion von
Satyrikon & Odeon/Im Spitzer
mit einer Förderung vom Wiener 2. Gemeindebezirk
Übersetzung Dank einem Stipendium vom BMKÖS

Österreichische Uraufführung
den österreichischen Femizidopfern 2024 gewidmet
#orangetheworld #16tage

6., 7., 10., 12. Dez. 2024 · 20 Uhr
Im Spitzer
Taborstraße 10 · Innenhof, 1020 Wien
Installation & Bar ab 18 Uhr · barrierefrei
Tickets € 15 / € 12 (Schüler*innen, Student*innen, Senior*innen, Lehrlinge, Standard-Abonnent*innen, Ö1 Club-Mitglieder, Satyrikon-Mitglieder) · freier Eintritt mit Kulturpass
Reservierungen: karten@odeon.at
Dauer: ca. 75 Min.

das Projekt

Ein interdisziplinäres und interkulturelles Projekt zum Thema Gewalt an Frauen, Femizid und Ehrenmord. Saverio La Ruinas Monolog, ein Meisterstück italienischen Erzähltheaters, als immersive szenische Lesung und in einer Installation integriert, die den österreichischen Femizidopfern 2024* gewidmet ist. La Ruinas Beispiel folgend, wird die Protagonistin Pasqualina hier auch von einem Mann gespielt.

Wir sind in Pasqualinas Haus. In der Waschküche hängt eine Familiengalerie aus Damenwäsche: Es sind Pasqualinas "Schicksalsschwestern". Die Galerie führt nahtlos ins Wohnzimmer, wo Pasqualina mit einem Lächeln ihre Geschichte aus Überlebende in einem kalabrischen Dorf in den 60ern erzählt.

Eine Geschichte von Gehorsam, Missbrauch und Ehrenkodex; am ehesten ungewöhnlich ist daran das Happy End. Trotz aller Tragik, enthält Pasqualinas Erzählung auch groteske, surreale und sogar komische Elemente. Sie berührt umso mehr, weil darin kein Groll zu spüren ist und dadurch, trotz des sensiblen Themas, eine familiäre Atmosphäre entsteht.

Das Vorhaben führt zu einer doppelten Reflexion: einerseits über das Fortbestehen patriarchaler Strukturen in unserer heutigen Gesellschaft, andererseits über die menschliche Distanz zwischen uns Bürger*innen - denn Pasqualina könnte unsere Nachbarin sein.

° Femizidopfer 2024 in Österreich: 26 mit dem 9.11.

Notizen von Roberta Cortese

Aus dem Kalabrischen ins Deutsche: Zur Übersetzung von Entehrt.

Erzähl-Installation (?)

 


PASQUALINA
[umgekehrtes Manifest]

Sungu na fìammina e quannu passu mìanzu i genti agghia teni a capa vasciata fa chi cuntu i petri pi nterra. Si mi pàrlidi angunu, nu zùacculu ncapa e via p’i fatti suji. Tiru i zùacculi pi difesa e pu n’ata vota a capa vasciata a cuntà i petri pi nterra. Si vèni angunu a mi dici “Oh, jamu a tala parta”, ji u pigghiu subbitu a petrati: “Chi jè sta cunfidenza?”. Un davu retta a nisciunu e un gavuzu mai l’ùacchi a nterra ca si nziammai i gavuzu a supa a nu masculu chi passi, a lu paisu tutti mi chiaminu puttana.

Ein Weib bin ich, und wenn ich unter Menschen geh’, muss ich den Kopf nach unten halten, die Steine auf dem Boden zählen. Wenn mich jemand anspricht, einen Holzschuh auf den Kopf und nichts wie weg. Ich werfe Holzschuhe, um mich zu wehren, dann wieder Kopf nach unten, die Steine auf dem Boden zählen. Wenn jemand zu mir kommt und sagt: “He, lass uns dorthin gehen”, da werfe ich ihm gleich Steine nach: “Was bildest du dir ein?”. Ich höre auf gar niemanden und hebe nie den Blick vom Boden, denn der Himmel bewahre, dass ich ihn über einen Mann erhebe, der vorbeigeht, im Dorf nennen mich alle eine Hure.

Saverio La Ruina

Schauspieler, Autor und Regisseur. Nach seinem Abschluss an der Schauspielschule in Bologna setzte er seine Ausbildung bei Jerzy Stuhr fort und arbeitete mit Leo De Berardinis sowie Remondi und Caporossi zusammen. 1992 gründete er mit Dario De Luca das Ensemble Scena Verticale in Castrovillari und seit 1999 sind die beiden künstlerische Leiter des Festivals für zeitgenössisches Theater "Primavera dei Teatri" in Castrovillari. 2006 fand in Rom die Uraufführung von Dissonorata. Un delitto d’onore in Calabriastatt, bei der er als Autor, Darsteller und Regisseur wirkte.

Unter den wichtigsten Preisen: 2007 zwei Ubu-Preise für Entehrt (bester Schauspieler und bester italienischer Text); 2010 Ubu-Preis für La Borto (bester italienischer Text); 2010 Hystro-Dramaturgie-Preis für Entehrt und La Borto; 2012 Ubu-Preis für Italianesi (bester Schauspieler); 2015 "Lo Straniero" Dramaturgie-Preis für Polvere; 2023 Ubu-Preis für Via del popolo (bester Italienischer Text).

Entehrt wird in Italien immer noch aufgeführt.

 Femizid ist die vorsätzliche Tötung einer Frau durch einen Mann aufgrund ihres Geschlechts bzw. aufgrund von "Verstößen" gegen die traditionellen sozialen und patriarchalen Rollenvorstellungen, die Frauen zugeschrieben werden. Femizide gehören daher zu den Hassverbrechen. Die Definition geht auf die südafrikanische Soziologin und Autorin Diana Russell zurück, die 1976 eine der ersten war, die den Begriff verwendete. (Aus der Website des Vereins AÖF – Autonome Österreichische Frauenhäuser)

 

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